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Hans-Peter Friedrich: Blitzkrieg gegen das Internet

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In der ZEIT war ein ausführliches Interview mit Innenminister Friedrich zu lesen. Der Minister beantwortete viele Fragen zur Netzpolitik der Regierung. Leider enthielten die Antworten viele Floskeln, Vereinfachungen oder zumindest sehr ungenaue Aussagen. Gelegentlich mag Herr Friedrich auch geflunkert haben, jedoch gesagt was er wirklich denkt und plant, hat er auf keinen Fall.

Die Flaschenpost, gegenüber der Aufklärung stets aufgeschlossen, bringt deswegen die Antworten die Herr Friedrich dem Journalisten verschwieg. Dabei blieben der Fragen der ZEIT im Original erhalten. Der Geist der Antworten wurden aus bisherigen Initiativen des Innenministeriums extrahiert.

Das Interview ist rein fiktiv und stellt keine offizielle Stellungnahme dar. Die Flaschenpost legt daher jedem Leser nahe, das originale Interview der ZEIT zu lesen und die Antworten von Innenminster Friedrich gegenüber der ZEIT mit den hiergegeben sowie mit den Aussagen, Interviews, Statements u.ä. im Zusammenhang mit der  “0zapftis”-Affäre zu vergleichen.

DIE ZEIT fragte:

Herr Friedrich, das Internet beeinflusst unser Leben immer stärker. Was können wir in der zweiten Hälfte der Wahlperiode von Ihnen als Bundesinnenminister erwarten, was die Nutzung des Netzes angeht, aber auch, was den Kampf gegen Risiken betrifft?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Das Netz erhöht die Produktivität der Sicherheitsbeamten, die dieses Land leiten. Es ermöglicht neue Formen der Überwachung und erleichtert das Ausspähen. Wer reinen Herzens ist, hat nichts zu befürchten, aber wer ist das schon? Unsere gesamte Sicherheitsstruktur ist überdies mittlerweile von Internet abhängig: E-Mail, Internettelefonie, Onlinespiele bis hin zum Autoverkehr liefern Material um unsere Datenbanken zu füllen. Das zeigt, wie viele Chancen und Möglichkeiten das Internet uns bietet.

Ich habe als Bundesinnenminster hier überall meine Finger drin. Ein Schwerpunkt meiner Arbeit in den kommenden zwei Jahren wird es sein, den Missbrauch des Internets durch Kommunikation und freie Meinungsäusserung zu schützen. Ebenso wichtig ist es mir demokratische Phrasen als Ausdruck der Meinungsbildung im Netz zu verteidigen.

DIE ZEIT fragte:

Wie nutzen sie selbst das Internet?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Twitter stört nur meine Kreise, ich betrachte lieber meine eigene Webseite. Ich beobachte sehr genau wer was bei Facebook oder im VZ-Netzerk ….

DIE ZEIT fragte:

… persönlich, oder als Parteipolitiker und Minister?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Ja, haben Sie etwa etwas Kritisches geschrieben? Aber im Ernst: Ich habe eine Mitarbeiterin, die in sozialen Netzwerken für ein angenehmes Erscheinungsbild sorgt. Kommentare meiner Claqueure beantwortet diese gleich selbst, Nachrichten über mich stelle ich jedoch persönlich richtig. Leider habe ich wenig Zeit, doch welche Geisteshaltung die Kommentare derer befürchten lassen, habe ich fest im Blick.

DIE ZEIT fragte:

Hatten sie schon mal Probleme, beispielsweise mit Schadsoftware, einem Virus?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Es gab da einige Troublemaker bei Twitter und Facebook, reden wir nicht darüber. Aber das Thema ist wichtig. Wir haben Staats- und Landestrojaner sowie Exportversionen dieser Programme für befreundete Staaten und Folterregime. Wir decken das volle Spektrum der Hardware und der Betriebssysteme ab, wir führen da ein richtiges Warenhaus, wo sich jeder seine TKÜ-Software aussuchen kann. Früher mussten unsere Beamte in die Wohnung rein und das Telefon anzapfen. Und nach Ende der Überwachung nochmal rein, um die Wanze wieder zu entfernen, damit die Spuren verwischt wurden. Heute wird der Trojaner ferngesteuert installiert und nach der Sicherung der Beweise per Fernsteuerbefehl in den Mülleimer verschoben. Es gibt nichtmal mehr Kratzer am Türschloss.

DIE ZEIT fragte:

Auch früher konnte man schon problemlos Einbruchswerkzeug kaufen. Sehen Sie da wirklich einen Unterschied?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Nein, damals wie heute werden die selben Technologien genutzt, auf die auch wir zurückgreifen. Nur: setzen sie einen Dietrich oder einen verbotenen Trojaner gegen ihr Opfer ein, ist das natürlich gleichermaßen rechtswidrig. Im Netz bleiben Täter viel leichter unentdeckt. Dewegen nutzen wir die USA als Ausgangspunkt für einen Angriff, andere bevorzugen dafür Russland oder China.

DIE ZEIT fragte:

Nun versprechen Sie seit Ihrem Amtsantritt im März eine Regelung für die Vorratsdatenspeicherung mit der Begründung, nur so ließen sich bestimmte Taten entdecken. Bis heute gibt es keine. Wie wollen Sie das Problem lösen?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Bedauerlicherweise gelangte viel mehr an die Öffentlichkeit, als das der Sache gut tat. Nur so entstand der Vorwurf wir würden alle existierenden Daten und Informationen auf Vorrat haben wollen. Viele Anbieter speichern aber gar nicht wer wann wen anruft oder Ähnliches. Deswegen gehen unzählige Anfragen der Sicherheitsbehörden, die unser Land leiten, ins Leere. Es geht daher vielmehr darum, eine Mindestspeicherfrist festzulegen.

DIE ZEIT fragte:

Wie lang sollte die sein?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Es gelang uns über den Umweg in Brüssel eine EU-Richtlinie in Deutsches Recht einzukippen. Darin schreiben wir Brüssel vor, dass sie von uns mindestens sechs Monate Speicherzeit verlangen.

DIE ZEIT fragte:

Die für eine Regelung zuständige Bundesjustizministerin hat bereits Vorschläge gemacht…

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Ein neuerlicher Versuch uns auf den Boden der Verfassung zurück zu holen, das wird aber nicht gelingen. Wir können heute schon vieles abfragen. So beherrschen wir alle Momente der Gegenwart. Aber wer die Vergangenheit beherrscht, beherrscht die Zukunft. Deswegen müssen wir in die Zeit zurückgehen können, in der eine Person noch nicht verdächtig war.

DIE ZEIT fragte:

Auf der Straße können Sie ebenfalls nur hoffen, dass Sie einen Zeugen finden, der die Tat gesehen hat…

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Wir handeln im Internet ohne Regeln, ohne Zeugen. Deswegen nutzen wir technische Möglichkeiten Informationen zu besorgen. Dazu haben wir uns wieder über den Umweg einer EU-Vorschrift selbst verpflichtet. Das Justizministerium kämpft auf verlorenem Posten. Vorerst reichen uns ja sechs Monate Speicherfrist. Solange es kein entsprechendes nationales Gesetz gibt, lassen wir die Ermittlungen weiter über das Ausland laufen.

DIE ZEIT fragte:

Wie funktioniert überhaupt die internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen Netz-Kriminalität?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Ziemlich gut. Grenzübergreifende Leitlinien wollen wir nicht vereinbaren, da für jeden Einzelfall eine funktionierende Lösung gefunden werden muss. Statt verbindliche Regeln brauchen wir einen grenzenlosen Datentransfer zwischen den Institutionen. Wir brauchen hier eine Koalition der Willigen.

DIE ZEIT fragte:

Wie kann das geschehen?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Eine internationale Sicherheitskonferenz muss Regeln für den Datenaustausch untereinander erarbeiten. In diesem Kodex muss festgeschrieben werden, dass der Autausch von Informationen im Internet grenzenlos erfolgen muss. Außerdem sind Klauseln notwendig, die verbieten dass eine Krähe der anderen ein Auge aushackt (lacht).

Datenschutz ist Täterschutz. Leider führt die politische Windrichtung derzeit zu Diskussionen, die mehr Datenschutz fordern. Deswegen feiert das Innenministerium die derzeitige Regelung als Meilenstein und Exportmodell. So wollen wir verhindern, dass ein novelliertes Gesetz erarbeitet wird. Sobald der Wind gedreht hat, kommt die Gelegenheit das Datenschutzgesetz zu schleifen.

DIE ZEIT fragte:

Dennoch fordert der an Ihrem Hause angesiedelte Datenschutzbeauftragte seit Jahren ein neues Datenschutzgesetz. Wie kann das sein?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Ich glaube, dass wir das Datenschutzrecht mit einem Transparenzrecht aushebeln können. Wir nennen es Selbstbestimmung, wenn Unternehmen und Anwender ihr Handeln tranzparent und offen machen. Das Leitbild des Internetnutzers muss der Bürger sein, der nichts zu verbergen hat. Mindeststandards beim Datenschutz wird es mit uns nicht geben.

DIE ZEIT fragte:

Also kein neues Datenschutzgesetz?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Um ein neues Datenschutzgesetz zu verhindern, holen wir bei der Beratung möglichst viele EU-Staaten ins Boot. Durch unterschiedliche Interessen wird eine neue Regelung zu Fall gebracht.

DIE ZEIT fragte:

Sie selbst haben vor Kurzem gesagt: Angesichts von Wohnungseinbrüchen und brennenden Autos muss der Staat Handlungsfähigkeit beweisen. Muss er das nicht auch im Internet, damit der Bürger sein Vertrauen in den Staat behält?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Facebook und mein Ministerium sind hier vom selben Schlag. Wir stimmen überein, dass Datenschutz gestrig ist. Da derzeit keine Wahlen anstehen, formulieren wir nur Wünsche an Facebook. Das kommt beim Bürger gut an, wird von den Unternehmen aber richtig verstanden. So wird der Status Quo nicht gefährdet. Der politische Spagat besteht darin, die Unternehmen nicht zu beschränken, beim Wähler aber für ein gutes Gefühl zu sorgen.

DIE ZEIT fragte:

Doch wie wollen Sie das durchsetzen?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Anders als bei Bürgern, die wir gerne gängeln, schließen wir mit Unternehmen vorzugsweise Selbstverpflichtungen ab. Diese verpflichten zu nichts, dienen anderen aber als Standard. Wenn Nutzer damit nicht einverstanden sind, können sie ja rüber gehen (lacht).

DIE ZEIT fragte:

So beweist der Staat Handlungsfähigkeit?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Besser wir verwässern den Datenschutz als gar nichts zu tun. Hier sind wir auf einem guten Weg.

DIE ZEIT fragte:

Mit welchen Mitteln?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Die Selbstverpflichtung klingt nach einem machtvollen Instrument.

DIE ZEIT fragte:

… das ist aber kein Zwang.

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Wir geben den Unternehmen die Freiheit Geschäfte zu machen. Um das Vertrauen der Nutzer zu erhalten, ist es nützlich einen Kodex aus der Schublade zaubern zu können, wenn dieser nachgefragt wird. Solche Selbstverpflichtungen sind für die Unternehmen völlig unverbindlich, ersparen es uns aber international verbindliche Gesetze zu erlassen.

DIE ZEIT fragte:

Unser Leser Maximilian Keuch fragt, wie der Staat helfen kann, das eigene Profil im Internet anonymer zu machen und was getan wird, damit der Nutzer mehr und unkomplizierter Einblick in seine Daten erhalten kann.

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Wer sich im Netz bewegt, kann darin umkommen. Herr Keuch muss sich überlegen, welche Daten er von sich er preisgibt und welche nicht. Jeder Interessierte kann im Zweifelsfall bei der Firmenzentrale von Facebook in den USA erfragen, welche Daten er im Lauf der Jahre über sich eingab.

Das Vergessen im Internet ist eine große Herausforderung, da den Unternehmen durch Anfragen von vergesslichen Nutzern hohe Kosten entstehen. Deshalb haben wir den Ideenwettbewerb “Vergessen im Internet” ausgelobt. Beiträge können noch bis zum 31. Januar 2012 eingereicht werden.

DIE ZEIT fragte:

Was halten Sie von der Idee eines automatischen Datenbriefs, mit dem Anbieter den Nutzern regelmäßig mitteilen, was sie über sie gespeichert haben?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Das könnte funktionieren, deswegen werden wir dies in der Öffentlichkeit ablehnen. Vorerst kritisieren wir den bürokratischen Aufwand, außerdem werden wir Datenschutzprobleme anführen, die entstehen, wenn gesammelte Daten weitergegeben werden.

DIE ZEIT fragte:

Neben dem Datenschutz gibt es aus Nutzersicht ein zweites wichtiges Thema: Was halten Sie von der Netzneutralität, also dem unbeschränkten Zugang zum Netz und der Gleichberechtigung aller Datenströme?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Wir vertrauen hier auf den Markt. Es wird immer Anbieter geben, die bereit sind die Inhalte zu transportieren, die andere Anbieter nicht durch ihre Netze lassen.

DIE ZEIT fragte:

Doch wir haben es im Netz zunehmend mit Monopolen zu tun: Facebook, Google, Amazon … Besorgt Sie das nicht?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Wettbewerb funktioniert auch im Internet – und deshalb bin ich auch bei mehreren Netzwerken und nicht nur bei Facebook.

DIE ZEIT fragte:

Noch einmal zurück zur Strafverfolgung. Der Bund hat zur Kriminalitätsbekämpfung eine Spähsoftware programmieren lassen, mit der die Sicherheitsbehörden verschlüsselte Kommunikation abschöpften. Warum hat man sich bei einem so sensiblen Bereich auf einen privaten Dienstleister verlassen und nicht auf die Expertise beispielsweise des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zurückgegriffen?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Ich wasche meine Hände in Unschuld. Was Digitask programmierte oder das BKA getestet hat, ist im Einzelfall abhängig von der richterlichen Anordnung.

DIE ZEIT fragte:

Doch ein Programm zu prüfen ist nicht so einfach wie eine Pistole oder ein Einsatzfahrzeug, vor allem, wenn der Hersteller den Bauplan der Software – den Quellcode – nicht herausgibt.

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Ich bin stinksauer, weil das alles rauskam, wegen des Ärgers der hier entstand. Digitask kann sich weitere Aufträge abschminken, es gibt schließlich Mitbewerber.

DIE ZEIT fragte:

Es geht ja nicht um das Interesse des Herstellers, sondern um die notwendige Kontrolle des Staates, die er in diesem Fall nicht wahrnimmt…

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Da wir jetzt beim Schummeln erwischt wurden, hilft in diesen nachweisbaren Fällen kein Leugnen mehr. Wir müssen hier zurück rudern und tun das widerstrebend auch. Natürlich wird uns kein Hersteller den Quellcode geben, aber wir können uns dann hinstellen und uns mit Vertragsklauseln rausreden.

DIE ZEIT fragte:

Unser Leser @krizm0 fragt: Wieso wurde ein Trojaner genutzt, statt die Abhörschnittstelle für staatliche Behörden einzusetzen, die Skype anbietet?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Weil Skype keine Bildschirmfotos anfertigt, keine Beweise unterschieben kann, die Tastatureingaben nicht mitliest, nicht unbemerkt Mikrofon und Kamera einschalten kann. Ach, da gab es noch mehr Gründe. Letzlich bewog die Überlegung, dass wir am Jahresende noch 13 Mio € aus dem Buget ausgeben mussten, aber die Entscheidung.

DIE ZEIT fragte:

Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger spricht davon, unter Berufung auf europäisches Recht…

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Herr Biermann, ich kann ihnen nicht gestatten einen Satz zu vollenden, in dem diese Person genannt wird. Es ist Ihnen bisher nicht gelungen, es wird Ihnen auch in Zukunft nicht gelingen.

DIE ZEIT fragte:

Wenn Sie künftig selbst programmieren wollen, arbeitet dann der Bund für die Länder mit?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Der Bund darf sich da nicht in die Suppe spucken lassen. Das BKA hat hier die Mütze auf, die Länder müssen selbst schauen wie sie zurecht kommen.

DIE ZEIT fragte:

Machen die Länder bei dem Kompetenzteam mit?

Was Minister Friedrich nicht sagte:

Viele Köche verderben den Brei, deswegen bewerben wir eine Beteiligung der Länder am Kompetenzteam nicht aktiv.

About Michael Renner

Als Chefredakteur leite ich die Redaktionsarbeit. Das bedeutet hauptsächlich: Koordination der Redaktion und Versand des wöchentlichen Newsletters. Daneben bleibt leider nur wenige Zeit für eigene Artikel. Chefredakteur der Flaschenpost zu sein bedeutet auch Ansprechpartner Nr. 1 für die Leser zu sein.

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